«Heiler werden»
von CapriConnection
CapriConnection begeben sich auf eine Reise vom schweizerischen Emmental bis ins chinesische Quingdao. In Lützelflüh treffen wir auf die Naturheilerin Rosmarie Megert. Sie führt uns ein in eine Welt, in der Dinge geschehen, die man nicht beweisen kann. Mit ihr lernen wir unter anderem das finnische Tieftrancemedium Aulikki und den ältesten Heiler der Schweiz kennen: «I gloube, es git Chräft, wo mir eifach nid chöi mässe, aber die gits. U die wärde igschänkt vomene Ort här u das wird’s gäng gäh. Aber ob enisch d’Forschig so wit chunnt, dass me das cha im Migros choufe, das isch d’Frag.»
In China kreuzen sich unsere Wege mit denen von zwei außergewöhnlichen Meistern des chi’kung: Frau Cao, einer ehemaligen Arbeiterin in einem Sägewerk, und Dr. Li Yong, der trotz Verbote während der Kulturrevolution die Tradition seiner Familie weiterführt. Mit ihm geraten wir in die Spirale des chinesischen Turbokapitalismus und mutieren zu Überbringern von Heilsbotschaften an die westliche Welt, die an Fettsucht, Depression und Bluthochdruck leidet.
Auf der Suche nach dem persönlichen Heil werden die Dinge immer abstruser, je eindeutiger man sie zu beschreiben versucht. Wo die Spieler von CapriConnection mit Worten nicht mehr weiterkommen, treten die beiden elektronischen Musiker Yan Jun (Peking) und Niki Neecke (Basel) in den Vordergrund, um das Publikum in Schwingung zu versetzen.
«Treatment»
von Living Dance Studio
Ausgangspunkt der Arbeit von Living Dance Studio ist der Begriff «treatment», Behandlung. In der chinesischen Tradition beziehen sich die Begriffe «Behandlung» und «Krankheit» in erster Linie auf den Körper. Doch im Weder-noch des heutigen «Post-Sozialismus» oder «Prä-Kapitalismus» fangen die Menschen an zu realisieren, dass «Krankheit» auch den Geist, die zwischenmenschlichen Beziehungen und die Gesellschaft als Ganzes betreffen kann. Wer sich einmal bewusst geworden ist, dass diese Krankheit überall existiert, für den wird sie zu einem besonders schaurigen Begriff und Menschen, die Angst haben, müssen lernen, mit ihr umzugehen. Dieser Widerspruch, vor etwas wegzurennen, was man gleichzeitig ertragen muss, ist, laut Wu Wenguang, Regisseur von Living Dance Studio, zu einem wiederkehrenden Motiv in der chinesischen Gesellschaft geworden.
In «Treatment» treten verschiedene «Patienten» auf, welche unterschiedliche körperliche oder seelische Leiden haben. Da ist zum Beispiel ein Mann, der aus seiner ländlichen Heimat in die Stadt kommt, um Arbeit zu finden. Eines Nachts verliert er seine Frau, und als er nach ihr zu suchen beginnt, verliert er sich schliesslich selbst…
Wang Hongjuns Dokumentarfilm The 100 Patients of Dr. Jia, der als Projektion zu sehen ist, beleuchtet die Schicksale «realer» Patientinnen und Patienten in einer chinesischen Arztpraxis. Anders als in den westlichen Kulturen, ist diese Praxis kein geschützter Raum, sondern ein «öffentlicher Raum», in dem es nur dann so etwas wie Intimität gibt, wenn kein anderer Patient zugegen ist.
Die anonym erscheinenden Individuen auf der Bühne und die namenlosen Patienten im Film, laufen zusammen in der Installation von Jin Xin: Hundert Paar Schuhe wandern unabhängig voneinander auf der Bühne herum. Sie stehen für die vielen Menschen mit ihren unterschiedlichen Identitäten, welche hier in einer ferngesteuerten, gesichtslosen Masse zusammenströmen, jeder und jede mit ihrer eigenen Geschichte.